All-Tags-Natur

Letzten Sommer hatte ich einmal in einer spontanen Brainstorm Sessions ein paar Post-its mit persönlichen Zielen beschriftet, eins davon lautete:

“Ich habe einen schönen Naturort gefunden.”

img_20200402_141119Ich hatte wirklich keine Ahnung und auch keinen Plan, wie ich dieses Ziel erreichen wollte. Ich wohnte in Berlin, war der Stadt schon sehr überdrüssig und bis obenhin mit Sehnsucht nach Natur im Alltag gefüllt. Und dann ging im Spätsommer auf einmal alles ganz schnell, München kam näher und ich ließ mich nieder. War anfangs (und bis heute) froh über Isar und Flaucher und Alpennähe.

Der wahre Herzensort wurde der Nymphenburger Schlosspark. Liebe auf den ersten Blick war es nicht, ich weiß noch, als ich zum ersten Mal hier war, wurde ich bei meinem ersten Gang durch diesen Ort innerhalb von einer halben Stunde öfter kritisch angeguckt oder auch angesprochen – weil ich mein Rad neben mir schob. Ich hatte das rot durchgekreuzte ‘Fahrrad-Verboten’ Schild am Eingang sehr wohl wahrgenommen, wäre aber nie im Leben darauf gekommen, dass es auch nicht zugelassen war, das Radl neben sich herzuschieben. Leicht geschockt in diesem Anfangsmoment (“So streng ticken die Bayern also wirklich?!?”), suchte ich damals eilig den nächstgelegenen Ausgang, um mir nicht noch mehr herablassende Blicke einzufangen.
Inzwischen liegen viele Begegnungen mit diesem Ort hinter mir. Ich genieße die zuverlässige Entschleunigung und lasse mein Rad ohne Nachdenken vor den Toren, bin zutiefst dankbar um diesen Rückzugsort, den ich aufsuchen kann, um Spannung zu entladen, geistig zu detoxen, energetisch neu aufzutanken und Inspiration abzuholen.
In diesen Tagen, tief drin im Lockdown, jetzt, wo die Ausgangsbeschränkung zum gewohnten, neuen Normal geworden ist, mahnen nun schon am Eingang Schilder, dass man sich nicht niederlassen dürfe. Nicht auf den Bänken, nicht auf den Stufen, und nein, bitte auch nicht auf den Wiesen. Na gut. Meine neu gefundene Lieblingsroutine aus Joggen-Meditieren-Joggen wird also
erstmal ein wenig Anpassung erfahren dürfen. 

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Ich mache mich heute auf, zu einer größeren, flotten Runde Joggen, einmal rum, ganz außen, immer an der Mauer entlang und am Ende noch eine Runde Stille, nur mit mir. Unbeobachtet, in die Sonne blinzelnd, und dabei an einen Baum gelehnt, welcher mir ungefragt Rückhalt spendet. Der Duft vom Bärlauch ein paar Meter entfernt weht zu mir herüber. Tiefe Dankbarkeit steigt mal wieder in mir auf, untermalt vom sanften Blätterrauschen, leisem Knacken und dem Frühlingsgesang der Vögel. So kitschig das auch klingt. Dieses kleine Paradies!

 

Ich hatte ja keine Ahnung, als ich das Post-it damals beschrieb… Dass es dieser Ort sein würde, den ich finden sollte. Der mir gerade genau das gibt, was mir zu Berliner Zeiten gefehlt hat. Der es vermag, mir dieses bestimmte, tiefe Naturgefühl zu geben, auch wenn ich gerade einmal 15 Minuten von meinem urbanen Zuhause entfernt bin. Waren es damals oft ungenährte Gedanken und Sätze zu meiner symptomatischen Berliner Zivilisationsmüdigkeit, sind es heute Momente, Stunden und Reflexionen des wiederkehrenden Glücks. Sehnsucht ist klug.

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